Entwurf Rede Minis­ter Dr. Marcus Optendrenk MdL

Bundes­fest 2025 der Histo­ri­schen Deut­schen Schüt­zen­bru­der­schaft am 19. Septem­ber 2025 in Mönchengladbach.

(1507 Wörter = 14–15 Minu­ten Redezeit)

Anrede,

Mönchen­glad­bach ist eine Stadt der Tradi­tio­nen. Sie verbin­den die Menschen und schaf­fen so eine beson­dere Identität.

Zuletzt habe ich das Anfang August erlebt: beim Vereins­ju­bi­läum von Borus­sia Mönchen­glad­bach. 125 Jahre Borus­sia sind nicht nur 125 Jahre Fußball­ver­ein, sondern auch 125 Jahre Verbin­dung, Leiden­schaft und Gefühle zwischen dem Verein, seiner Heimat­stadt und den Menschen.

Die Abtei Mönchen­glad­bach stand auch am Anfang der geschrie­be­nen Geschichte meines Heimat­or­tes Lobbe­rich, gut 20 Kilo­me­ter von hier entfernt.

Die erste urkund­li­che Erwäh­nung Lobbe­richs datiert aus dem Jahr 988. Eine mehr als 1000jährige Biogra­phie, die uns mit Mönchen­glad­bach verbindet.

Bruder­schaf­ten haben in ihrer jahr­hun­der­te­lan­gen Geschichte viel erlebt: Krieg und Frie­den, Hunger und Aufschwung, Indus­tria­li­sie­rung und Werte­wan­del, große Umbrü­che, aber auch Zeiten des Wohl­stan­des und der guten Entwicklungen.

Heute sind wir Zeit­zeu­gen von Krie­gen, viel­fäl­ti­gen Krisen und eines schnel­ler werden­den funda­men­ta­len Strukturwandels.

Künst­li­che Intel­li­genz, Digi­ta­li­sie­rung, Robo­tik, Bio- und Neuro­tech­no­lo­gien, Raum- und Luft­fahrt­tech­no­lo­gie verän­dern unsere Wirt­schaft und Arbeits­welt dauer­haft. Das alles hat enorme Auswir­kun­gen auf die gesamte Gesell­schaft und damit auf jede und jeden einzel­nen von uns.

Der menschen­ver­ach­tende Krieg Putins in der Ukraine hat das für unmög­lich Gehal­tene grau­same Wirk­lich­keit werden lassen — einen neuen Krieg in Europa.

Keine 1500 Kilo­me­ter von Mönchen­glad­bach entfernt fallen seit dem 24. Februar 2022 Bomben, Tag und Nacht seit drei­ein­halb Jahren. Das Völker­recht wird täglich brutal miss­ach­tet. Denn das regelt, dass die gewalt­same Verän­de­rung von Staats­gren­zen ausge­schlos­sen ist.

Imma­nuel Kant hat in seiner berühm­ten Schrift „Zum ewigen Frie­den” darauf hinge­wie­sen, dass, so wie die Menschen ohne Recht und Ordnung nicht in Frie­den zusam­men­le­ben können, ebenso das Mitein­an­der der Völker eines Rechts zwischen ihnen bedarf.

Die Warlords dieser Welt sche­ren sich nicht im Gerings­ten um inter­na­tio­nale Abma­chun­gen oder das Völker­recht, wenn es ihnen nichts nützt.

Wir sind zurück­ge­fal­len in eine Zeit, in der eine dauer­hafte, auf festen Regeln beru­hende Ordnung zwischen den Staa­ten nicht vorhan­den war: In die Zeit vor dem Frie­den von Müns­ter und Osna­brück im Jahr 1648.

Dieser Frie­den war der Beginn des moder­nen Völker­rechts, gebo­ren aus dem Wissen um die verhee­ren­den Folgen des 30jährigen Krieges.

Die Wurzeln unse­rer Schüt­zen­bru­der­schaf­ten liegen noch vor dieser Zeit. Sie reichen zurück ins späte Mittel­al­ter. Und sie waren damals drin­gend notwen­dig. Entstan­den sind sie zum Schutz der Dörfer und Städte vor der stän­di­gen äuße­ren Bedrohung.

Das war gleich­sam die Umset­zung des Gedan­kens von Marcus Tullius Cicero „si vis pacem para bellum.”

Wer den Frie­den will, der muss vertei­di­gungs­fä­hig sein und das auch wollen. Man könnte ergän­zen: ein mögli­cher Angrei­fer muss wissen, dass er auf erheb­li­chen Wider­stand stoßen wird.

Zudem kümmer­ten sich die der Kirche verbun­de­nen Schüt­zen­bru­der­schaf­ten von Anfang an auch um reli­giöse, wirt­schaft­li­che, kultu­relle und soziale Belange.

Viele Schüt­zen­ver­eine, wie wir sie heute neben den Bruder­schaf­ten kennen, entstan­den vor allem im 19. Jahr­hun­dert in der Zeit des Vormärz zur Abwehr von Will­kür durch die klein­staat­li­chen Fürs­ten­herr­schaf­ten und zur Bewah­rung mühsam errun­ge­ner bürger­li­cher Freiheiten.

Diese Philo­so­phie liegt auch unse­rem Verständ­nis der wehr­haf­ten Demo­kra­tie zugrunde.

Eine wehr­hafte Demo­kra­tie muss sich gegen Angriffe von außen und von innen schützen.

Mili­tär­ex­per­ten rech­nen damit, dass sich weitere euro­päi­sche Staa­ten darauf einstel­len müssen, spätes­tens im Jahr 2029 durch Russ­land ange­grif­fen zu werden. Wir reden dabei konkret über die balti­schen Staa­ten. Sie sind Mitglie­der der Euro­päi­schen Union und der NATO.

Gleich­zei­tig erle­ben wir eine Frag­men­tie­rung und Pola­ri­sie­rung unse­rer Gesell­schaft und hören eine Spra­che, die wir für über­wun­den glaubten.

Das Gift von Ausgren­zung, Rassis­mus, Verro­hung und Verun­glimp­fung macht sich erschre­ckend bemerkbar.

Unsere Demo­kra­tie ist in Gefahr. Deshalb ist es wich­tig, über die Werte nach­zu­den­ken, die unser Handeln bestimmen.

Europa und Deutsch­land, das soge­nannte christ­li­che Abend­land, sind geprägt von Chris­ten­tum, Aufklä­rung und Huma­nis­mus. Unsere christ­li­chen Wurzeln können uns Halt und Orien­tie­rung geben, nicht nur für uns selbst und unsere Bruder­schaf­ten, sondern auch für und durch unser Wirken in der Gesellschaft.

Nach unse­rem christ­li­chen Glau­ben ist der Mensch ein Geschöpf Gottes mit einer ganz beson­de­ren Würde, der Unver­letz­lich­keit des Lebens und einer außer­or­dent­li­chen Einzig­ar­tig­keit. Denn Gott hat ihn als sein Abbild geschaffen.

Dieses Menschen­bild ist Grund­lage unse­rer persön­li­chen Frei­heit. Es nimmt uns jedoch zugleich in die Verant­wor­tung, Sorge zu tragen für unsere Mitmen­schen und für die Gesell­schaft als Ganzes. Wir sind aufge­ru­fen zur Mitwir­kung, unsere Lebens­um­welt mit zu gestal­ten, auch wenn das biswei­len mühsam ist und nicht immer nur Zustim­mung auslöst.

Als sozia­les Wesen bedarf der Mensch einer ethi­schen Orien­tie­rung. Vor dem Hinter­grund der dyna­misch wach­sen­den Hand­lungs­mög­lich­kei­ten, nicht zuletzt durch neue Tech­nik müssen wir uns immer wieder fragen: „Dürfen wir alles tun, nur, weil wir es können?”

Zur Beant­wor­tung dieser Frage brau­chen wir ein festes Werte­fun­da­ment. Auf dieser Grund­lage sind wir zu glaub­wür­di­gem Handeln im poli­ti­schen, gesell­schaft­li­chen und priva­ten Leben befähigt.

Zur Bedeu­tung der Glaub­wür­dig­keit möchte ich an ein Wort des am Oster­mon­tag verstor­be­nen Paps­tes Fran­zis­kus erin­nern. Er ermahnt uns in seiner Auto­bio­gra­phie, „dass wir am Ende unse­rer Tage nicht danach gefragt werden, wie gläu­big, sondern wie glaub­wür­dig wir waren.”

Glaub­wür­dig sind wir dann, wenn man uns glau­ben, sich auf uns verlas­sen kann und wenn unse­ren Worten entspre­chende Taten folgen. Das gilt für uns alle in allen Berei­chen und sollte uns immer leiten.

Schutz in seiner umfas­sen­den Bedeu­tung, wie dies auch von unse­ren Schüt­zen­bru­der­schaf­ten prak­ti­ziert und mit Leben erfüllt wird, ist Soli­da­ri­tät, Offen­heit und Tole­ranz, die Achtung der Menschen­würde, der welt­weit gelten­den Menschen­rechte, der Gleich­heit sowie das Stre­ben nach Gerechtigkeit.

Wir soll­ten auch in aufge­heiz­ter Zeit nicht verges­sen, dass wir unsere Reli­gion von den Juden, die Schrift von den Phöni­zi­ern, Grie­chen und Römern und die Zahlen von den Arabern haben. Ohne sie wäre die Kultur der Germa­nen viel­leicht eher scha­ma­nisch geblieben.

Auch das Chris­ten­tum und Europa sind in ihren Ursprün­gen eher geprägt gewe­sen durch Menschen und Völker, die unter­wegs waren.

Sonst befände der Peters­dom sich sicher nicht in Rom, sondern wäre allen­falls ein Tempel im Heili­gen Land. Und wir würden weder die römi­schen Spuren bei uns hier am Rhein bewun­dern noch gäbe es Figu­ren wie Aste­rix und Obelix. Denn ohne die Schrift­spra­che der Römer hätten wir vermut­lich wenig von den Galli­ern und ihrem Wider­stand gegen Cäsar und seine Heere erfahren.

Unser erster Bundes­prä­si­dent Theo­dor Heuss hat zu Recht darauf hinge­wie­sen, dass unsere Demo­kra­tie vom Ehren­amt lebt.

Ohne die vielen Bürge­rin­nen und Bürger im Ehren­amt wäre unsere Gesell­schaft ärmer und kälter. Vieles wäre nicht machbar.

Hier leis­ten gerade Schüt­zen­bru­der­schaf­ten eine vorbild­li­che Arbeit bei der Förde­rung der Jugend, dem histo­ri­schen Fahnen­schwen­ken, der Brauch­tums­pflege, dem gesell­schaft­li­chen, sozia­len und kultu­rel­len Engagement.

Die Philo­so­phie der Histo­ri­schen Schüt­zen­bru­der­schaf­ten, das Einste­hen für „Glaube, Sitte, Heimat” ist allen Schüt­zen­brü­dern und Schüt­zen­schwes­tern verpflichtend.

Der Glaube, durch­aus im Sinne des „verpflich­ten­den Opti­mis­mus” von Karl Popper, gibt uns die Kraft auch in schwers­ten Stun­den weiter zu machen.

Der bedeu­tende Theo­loge Karl Rahner SJ hat den Glau­ben einmal beschrie­ben als die Fähig­keit, die Unbe­greif­lich­keit Gottes ein Leben lang auszuhalten.

Die Sitte kann als Verhal­tens­ko­dex, als Moral einer Gesell­schaft verstan­den werden. Dazu gehö­ren Ehrlich­keit, Verläss­lich­keit, Offen­heit, Anstand und gegen­sei­tige Wert­schät­zung. Auch das ist leider heute alles andere als selbstverständlich.

Heimat schließ­lich, ist für uns Nähe, Vertrau­tes, Nach­bar­schaft, Hilfs­be­reit­schaft. Hier werden wir verstan­den und verste­hen selbst. Oder anders ausge­drückt: Heimat ist da, wo ich mich nicht erklä­ren muss.

Heimat gibt uns die Kraft, zu neuen Ufern aufzu­bre­chen. Es gibt eben keine Zukunft ohne Herkunft.

Gerade beim Bundes­fest der Histo­ri­schen Deut­schen Schüt­zen­bru­der­schaft möchte ich ein Wort von Papst Bene­dikt XVI. nicht uner­wähnt lassen.

Er sagte, dass er auch als Bischof von Rom in seinem Herzen ein Bayer und damit seiner Heimat treu geblie­ben sei.

Ich bin kürz­lich wieder in Regens­burg gewe­sen, wo er sich in einem Gast­haus im Schat­ten des Domes, so oft es ging, mit seinem Bruder getrof­fen hat. Auch schon in seiner Zeit als Kardi­nal in München. Für ihn war dies Heimat.… In unse­rer Zeit des Wandels und Umbruchs können uns Glaube, Sitte, Heimat helfen, die damit verbun­de­nen Heraus­for­de­run­gen im vernünf­ti­gen Vertrauen auf Gott mutig anzu­neh­men und zu meistern.

Dass Sie, liebe Schüt­zen­schwes­tern und Schüt­zen­brü­der, das als Vermächt­nis und Auftrag leben und prak­ti­zie­ren, verdient unser aller Dank und Anerkennung.

Deshalb erin­nere ich zum Schluss meiner Ausfüh­run­gen noch an das Buch von Gott­fried Keller „das Fähn­lein der sieben Aufrech­ten” in dem er schil­dert, was sich 1849 beim Frei­schie­ßen zu Aarau ereig­net hat.

Als Wahl­spruch war auf dem Fähn­lein der Sieben einge­stickt: „Freunde in der Freiheit.”

Die Mitglie­der unse­rer Histo­ri­schen Deut­schen Schüt­zen­bru­der­schaf­ten sind eben­falls „Freunde in der Freiheit.”

Ohne Frei­heit können wir uns nicht entfal­ten: jeder einzelne, aber auch unsere Gesell­schaft. Sie zu vertei­di­gen, ist gerade auch in unse­rer Zeit eine fort­wäh­rende Aufgabe und Verpflichtung.

Wer bei Unrecht, Gewalt, Diskri­mi­nie­rung, Rassis­mus schweigt oder wegsieht, versün­digt sich auch an dem Vermächt­nis unse­rer Vorfah­ren aus der leid­vol­len Erfah­rung mit dem düsters­ten Kapi­tel unse­rer Geschichte.

Daran im 80. Jahr der Befrei­ung von der menschen­ver­ach­ten­den Gewalt­herr­schaft der Nazis zu erin­nern, ist mir beson­ders wichtig.

Sie leis­ten mit ihrem ehren­amt­li­chen Enga­ge­ment in der Kirche, für die Bewah­rung unse­rer Tradi­tio­nen, für den Sport und unsere Gesell­schaft, unsere Heimat und den Geist der Gemein­schaft einen vorbild­li­chen Dienst. Unser Land wird dadurch schö­ner, liebens­wer­ter und reicher.

Dafür danke ich Ihnen allen von ganzem Herzen.

Ihrem Bundes­fest 2025 hier in Mönchen­glad­bach wünsche ich einen harmo­ni­schen Verlauf. Ihnen und den Gästen drei schöne, inter­es­sante und abwechs­lungs­rei­che Tage mit einem beein­dru­ckend viel­fäl­ti­gen Programm.

Für Glaube, Sitte und Heimat.