Heimatgefühl braucht Gemeinschaft
Fest der Herzlichkeit mit Majestät Hans-Peter Thönes
So etwas gibt es nur in Mönchengladbach: Ein Bezirkskönig mit Residenz in der Brauerei, eine Bürgermeisterin mit Lizenz zum Fassanstich, eine Generalin mit zarter Stimme und Kommandogewalt über 2500 Schützen und Musikanten. Das kleine Stadtjubiläum (1050 Jahre!) nahmen die Schützen aus Stadt und Land zum Anlass, sich und das Brauchtum groß zu feiern. 30.000 Gäste waren dabei, machten an drei Tagen Party auf dem Alten Markt und jubelten bei der prächtigen Festparade dem neuen Bezirkskönig zu.
Hans-Peter Thönes, 65 Jahre alt und mit seinem Sohn Marc Pächter der Brauerei Joeris, hatte am ersten Schützen-Festtag den Vogel abgeschossen. Zuvor hatte Bürgermeisterin Josephine Gauselmann ihre Schlagkraft unter Beweis gestellt. Das zarte Persönchen schlug mit Karacho das erste Fass an. Beim zügigen Zapfen bewies die 30jährige ihre Gastroerfahrung. Schnell stießen die elf Königskandidaten (zwei Damen und neun Männer) noch miteinander an. Dann ging der Wettkampf los. Geschossen wurde mitten auf dem Gladbacher Markt. Und der Vogel war zäh, fiel erst mit dem 117. Schuss.
Beinahe hätte Hans-Peter Thönes seinen Erfolg gar nicht mitbekommen. Denn der Holzvogel fiel erst gut 40 Sekunden nach dem Treffer- Thönes hatte den Schießbereich bereits verlassen. Erst der Jubel der Menge ließ ihn zurückeilen. Ehefrau Margret gab ihm schnell einen Kuss, Sohn Marc erdrückte ihn fast vor Begeisterung. Die Freunde der St. Josef Bruderschaft Westend umringten ihren Präsidenten, der jetzt als Bezirkskönig der 38 Bruderschaften und Vereine in Mönchengladbach, Rheydt und Korschenbroich amtiert.
Als Bezirksminister stehen Thönes die beiden Schützen zur Seite, die vor ihm auf den zähen Holzadler – gefertigt in der Werkstatt des Volksvereins gegen Arbeitslosigkeit – geschossen hatten. Philip Theuerzeit aus Untereicken, 24 Jahre alt und Mitarbeiter der Marketinggesellschaft, und Stephan Schumacher, 46jähriger Zahntechnikermeister aus Rheindahlen. Das neue Bezirkskönigsgespann wurde am Abend bei der Königsparty in der Kaiser-Friedrich-Halle mit Applaus und Hochrufe begrüßt, bekam aber erst am nächsten Tag zur Krönungsmesse von Bezirkspräses Johannes van der Vorst (94!) Amtsketten und Segen. Dazu sang der Münsterchor, predigte Propst Dr. Peter Blätter aus der Stadt- und Kirchengeschichte, lobte Schützenchef Horst Thoren Gladbach als Stadt der Herzlichkeit. Ihren Ehrenplatz im hohen Chorraum, errichtet 1274 von Albertus Magnus, nahmen König und Minister nach der Zeremonie ein. Am Ende des Gottesdienstes wurden sie zur Königskutsche geleitet. Die Fahrt durch die Stadt, eskortiert von 2500 Schützen, endete mit der Parade am Alten Markt. Dort hatte zunächst Oberbürgermeister Felix Heinrichs das Wort, bevor Generalin Vanessa Odermatt mit seiner Erlaubnis das Kommando übernahm. Die junge Landtagsabgeordnete befahl mit zarter Stimme, fand aber allseits Gehör. So auch beim Bundeskönigspaar Michael und Susanne Kaul, das mit Cabrio durch die Oberstadt kutschiert worden war, und jetzt den vorbeiziehenden Schützen zuwinkte.
Die Erkenntnis der Bundesmajestäten nach anderthalb Stunden Parademarsch. Was die Vielzahl der Uniformen und Trachten anbelangt, ist Gladbach einzigartig. Was das Feiern anbelangt, haben die Gladbacher wie ihre Borussia Bundesliga-Niveau. Der Abschluss mit dem Großen Zapfenstreich, bestens kommandiert von Markus Fondermann, hatte die Europahymne als motivierenden Einstieg: Alle Menschen werden Brüder. Und so war der Abschlussabend beim Altstadt Open Air der Altstadtwirte von Freude und Herzlichkeit bestimmt. Dazu sangen die kölsche Rabaue mit Zusatzsänger Horst Thoren: „Heute tanzt die Königin!“