Gnade sei mit euch und Friede von Gott unse­rem Vater und unse­rem Herrn Jesus Chris­tus. Amen

Liebe Schwes­tern und Brüder,

die alte Geschichte des wider­spens­ti­gen Prophe­ten Jona, die wir gerade als Lesung gehört haben, kann uns auch heute eine Menge mit auf den Weg geben, wenn wir über Frie­den und Frei­heit nachdenken.

Denn die alte Geschichte ist auch eine sehr aktu­elle Geschichte.

Jona bekommt von Gott einen klaren Auftrag: Geh in die Stadt Ninive und rede mit den Menschen, viel­leicht kehren sie um!

Ninive, die Haupt­stadt Assy­ri­ens, stand damals für so ziem­lich alles Schlechte in der Welt, für Gewalt, Egois­mus, Krieg und Machtmissbrauch.

Der Auftrag ist unan­ge­nehm und geführ­lich. Wie viel lieber würde man die Augen wegwen­den, nichts mit alle dem zu tun haben, das Herz verschließen.

Jona flieht davor; mit dem allen will er nichts zu tun haben. Aber er hat ihn.

Wie wir ihn auch heute einen Auftrag haben: die Verant­wor­tung vor Gott und den Menschen, sich einzu­set­zen für Frie­den, für Frei­heit, für Tole­ranz und Mitmensch­lich­keit in einer Welt, die immer unbarm­her­zi­ger und into­le­ran­ter wird, in der Kultur- und Macht­kämpfe ein Land nach dem ande­ren erfas­sen, leider auch immer mehr unser Land.

Unser Auftrag ist es, zu reden, mitein­an­der, nicht über­ein­an­der. Auch wir haben den Auftrag, uns einzumischen.

Vor dürfen und können wir uns auch als Bruder­schaf­ten verste­cken, wenn wir für Glaube, Sitte und Heimat eintre­ten sollen.

Für einen Glau­ben, dem die Nächs­ten­liebe von Gott ins Stamm­buch geschrie­ben ist, für Sitte, das eigent­lich nur ein ande­res Wort für ein gutes Zusam­men­le­ben und Werte­ori­en­tie­rung ist und für eine Heimat, die auf dem Spiel steht, wenn Gesell­schaf­ten sich immer mehr pola­ri­sie­ren und spal­ten, wenn die einzel­nen Grup­pen sich verständ­nis­los und immer feind­se­li­ger gegenüberstehen.

Das führt alles am Ende zu Gewalt. Es beginnt mit Hass­kom­men­ta­ren in der Anony­mi­tät des Netzes, geht weiter zu erbar­mungs­lo­sen Macht­kämp­fen und am Ende zur physi­schen Gewalt der Waffen.

Wir sehen, wohin dies führt, gerade mit Schre­cken in Amerika.

Unsere Welt steht am Schei­de­punkt, wohin wir gehen wollen, ob wir es wahr­ha­ben wollen oder nicht.

Wir müssen spre­chen, mitein­an­der, nicht übereinander.

Die Jona­ge­schichte erzählt uns auch von einem uralten Mecha­nis­mus, wenn eine Krise herrscht, eine Logik, an die damals alle glaub­ten und die auch heute nicht verschwun­den ist: Ein Sünden­bock muss her!

Einer muss Schuld haben, und wenn der gefun­den ist, dann wird alles schein­bar wieder gut.

So wurde Jona ins Meer gewor­fen, so wurde später Jesus verra­ten, verur­teilt und gekreuzigt.

Der Hohe­pries­ter Kaiphas brachte es damals auf den Punkt: „Es ist besser, dass einer stirbt, als das das ganze Volk verdirbt.”

Auch heute wimmelt unsere Welt von Sünden­bö­cken, die an allem schuld sind: „die da oben, die Poli­ti­ker, die Linken, die Grünen, die Rech­ten, die Frem­den, die Muslime, die Juden, die Anderen…”.

Für alles haben wir in diesen Tagen genug Beispiele. Die Opfer sind will­kür­lich gewählt, es kann im Prin­zip jeden tref­fen, der anders ist, und es ist ein brand­ge­fähr­li­ches Spiel.

Denn die Erfah­rung lehrt: Nichts wird gut dadurch, wenn der andere verschwin­det, dann sucht die Wut, sucht der Hass neue Opfer.

Wir müssen dem Hass begegnen.

Aber in dem allen erzählt die Jona- Geschichte auch von einer wunder­sa­men Rettung.

Gott schickt dem im Stru­del des Meeres und der Welt Ertrin­ken­den einen Walfisch, der ihn verschluckt und so rettet.

Drei Tage und Nächte über­lebt Jona im Bauch des Walfischs, bis er wieder ans Land der Leben­di­gen gespült wird.

Und dann geht er endlich an seinen Auftrag und hat Erfolg. Ninive kommt zu Besin­nung und kehrt um.

Das ärgert ihn zwar, er hätte die Stadt der Feinde lieber vernich­tet gese­hen, aber Gott will das nicht.

Gott will nicht den Tod, sondern das Leben. Damals wie heute.

Jesus nimmt die Jona-Geschichte auf: das Zeichen des Jona, der drei Tage wie tot im Bauch des Walfischs war, wird für ihn zum Zeichen der Aufer­ste­hung, der Rettung und Bewahrung.

Und so erzählt die alte Geschichte uns von Gott, was er von uns will und wie er ist.

Ein Gott, der will, dass wir mit unse­rem Denken und Tun eintre­ten für Frie­den, Verstän­di­gung, Frei­heit und Umkehr.

Der will, dass wir mit unse­rem Denken und Tun beitra­gen, dass Wunden verbun­den und geheilt werden können.

Zwei Walfi­sche sehen wir auch im wunder­ba­ren Bild der ukrai­ni­schen Künst­le­rin Marina Yako­venko Svida.

Wir können sie im Licht der Jona­ge­schichte betrach­ten. Zwei Walfi­sche, die aus ihrer vertrau­ten Heimat, der Tiefe des Meeres, in ein frem­des und für sie auch bedroh­li­ches Gelände gera­ten sind.

Sie suchen nach dem Weg durch die entlaub­ten und schein­bar toten Bäume.

In diesem Bild steckt für mich die Erfah­rung unzäh­li­ger Menschen, nicht nur in der Ukraine, sondern in der ganzen Welt, die Opfer von Hass, Macht­stre­ben, Krieg, Zerstö­rung und Verlust ihrer Heimat werden.

Menschen, die flie­hen müssen oder vertrie­ben werden, die sich ohne siche­ren Halt in frem­den Umge­bun­gen zurecht­zu­fin­den müssen.

In ihm steckt die Erfah­rung der Menschen, die wie Jona in die Tiefen einer Welt gewor­fen werden, die in die Macht­kämpfe, den unver­söhn­li­chen Feind­schaf­ten und Kriege der Gegen­wart gera­ten sind in einer Welt, die aus den Fugen gerät.

Jona bringt diese Erfah­rung in seinem Gebet im Bauch des Walfischs vor Gott: Alle Wellen der Unmensch­lich­keit schla­gen über mir zusam­men.… Hast du mich versto­ßen, Gott?… Wann werde ich deinen Tempel wieder­se­hen?” Wie unend­lich schwer diese Erfah­rung zu tragen ist, das können wir ande­ren nur erah­nen. Und wir können hoffen, diese Erfah­rung von Flucht, Vertrei­bung, Verlust, die viele unse­rer Groß­el­tern aus den letz­ten Krie­gen noch kann­ten, nie mehr selbst machen zu müssen. Dies alles zu Sehen und zu Spüren, nicht die Augen zu verschlie­ßen ruft uns zur Mensch­lich­keit und zum Einsatz.

Aber in diesem Bild mit seinem Spiel von kalten und warmen Farmen steckt auch eine tiefe Sehn­sucht, die nicht verzwei­felt, stecken Hoff­nung, Rettung und Bewahrung.

Die Walfi­sche, Mutter und Kind, sie schwim­men noch, suchen den Weg, geben nicht auf. Sie werden ihn finden.

An manchen Zwei­gen der schein­bar toten Bäume trei­ben neue Blät­ter aus und in der Ferne blüht die Land­schaft in warmen Farben schon wieder auf.

Gott lässt uns nicht unter­ge­hen. Wir sind nicht allein.

Wir stehen in unse­rer Gesell­schaft, ja in der Welt­ge­mein­schaft am Schei­de­weg und müssen uns entschei­den, welchen Weg wir gehen wollen.

Der Auftrag Gottes an uns ist dabei unmiss­ver­ständ­lich und er beginnt bei uns im Klei­nen: als Bruder­schaf­ten, als Chris­ten, als Menschen mit allen Kräf­ten alles Unsrige dafür zu tun, dass Menschen mensch­lich mitein­an­der umge­hen, mitein­an­der reden, damit unsere Nach­kom­men später einmal in einer Welt aufwach­sen können, die es besser als unsere Zeit gelernt hat, ihre Konflikte zu lösen.

Alles andere wäre furchtbar.

Aber die Zukunft ist kein Schick­sal, wir dürfen nur nicht knei­fen, wie es Jona zuerst tat, bis er es dann endlich begrif­fen hatte.

Wir sollen hoffen und für den Frie­den und Versöh­nung kämpfen.

Für eine solche Welt des guten Mitein­an­ders stehe auch unsere Bundes­feier an diesem Wochenende.

Und Gottes Frie­den, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre dabei unsere Herzen und Sinne in Jesus Chris­tus. Amen